Hefewürfel

Lektion 6: Die Hefe – Das Lockerungsmittel im Brot

Um ein gutes Brot zu backen, braucht es nicht viele Zutaten. Aus den vier Grundzutaten Mehl, Wasser, Salz und Hefe lassen sich phänomenale Baguettes und auch rustikale Landbrote backen. Auf die Hauptzutat Mehl bin ich bereits in den vorigen Lektionen detailliert eingegangen. Die heutige Lektion widmet sich den technologischen Funktionen der Hefe.

Die Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) ist ein lebender einzelliger Organismus, genauer gesagt: ein Pilz. Die Industriebäckerhefe, wie wir sie heute kennen, wurde in den 1920ern geboren. Sie stammt von wilden Hefen ab, die wir domestiziert haben. Die ehemals wilden Hefen wurden gezielt gezüchtet, damit sie mehr Gas produzieren und eine höhere Stresstoleranz aufweisen. Industriebäckerhefe ist ein Haustier des Menschen, das nur aus einem Grund existiert: zum Backen.

Hefezellen unter dem Mikroskop. Bildquelle: ZEISS

Brot wurde aber auch schon lange vor der Entwicklung von Industriehefen gebacken, denn Hefen lassen sich ganz einfach von jedermann zuhause selber züchten. Sauerteig ist nichts anderes als eine Hefe- und Bakterienzuchtstation. Der Sauerteig ist befallen von wilden Mikroorganismen, die in ihm ihr Unwesen treiben. Die wilden Hefen im Sauerteig verdauen Zuckerstoffe im Teig und wandeln diese in Kohlendioxid um. Das Teigvolumen vergrößert sich.

Die Hefe ist ein biologisches Lockerungsmittel. Das von ihr produzierte Kohlendioxid liegt zunächst gelöst in der wässrigen Teigmatrix vor und wandert dann zu den während des Misch- und Knetvorgangs eingebrachten Gasblasen im Teig. Dort kommt es zum Phasenübergang: Das Kohlendioxid wird gasförmig und lagert sich an den Gasblasen im Teig an. Die Gasblasen wachsen immer weiter an. Der Teig geht auf.

Die Menge an Gas, die ein Brotteig stabilisieren kann, ist begrenzt. Auf die Expansionsphase des Teiges folgt eine stationäre Phase, in der der Teig nur noch sehr langsam weiter aufgeht. Die stationäre Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass in etwa die gleiche Menge an Kohlendioxid den Teig wieder verlässt wie von der Hefe produziert wird. Je mehr Gas sich im Teig befindet, desto labiler wird er. Irgendwann wird dann ein kritischer Punkt erreicht, an dem das Teiggerüst so instabil ist, dass es in sich zusammenfällt.

Die drei Phasen der Teigfermentation

Die Stockgare, das ist, wenn der Teig nach dem Kneten zum ersten Mal aufgeht, lässt sich in drei Phasen unterteilen:

  • Die Lag-Phase, in der das Teigvolumen nicht oder nur minimal zunimmt.
  • Die Expansionsphase, in der das Teigvolumen stark zunimmt.
  • Die stationäre Phase, in der das Teigvolumen nur noch langsam zunimmt.

In der untenstehenden Abbildung siehst du einen Graphen, indem der Expansionskoeffizient des Teiges über die Zeit aufgetragen ist. Der Volumen-Expansionskoeffizient eines Teiges zum Zeitpunkt t berechnet sich folgendermaßen:

Ein Teig, der innerhalb von 2 Stunden sein Volumen von einem auf drei Liter vergrößert hat, hat folglich einen Expansionskoeffizienten von:

Der Teig in der untenstehenden Abbildung hat somit bei einem Expansionskoeffizienten von 3 im Laufe der Stockgare sein Volumen vervierfacht.

Volumenexpansionskoeffizient von Brotteig in Abhängigkeit der Fermentationszeit. Bildquelle: Food and Bioprocess Technology

Die Lag-Phase bei der Teigfermentation

Wir haben gelernt, dass das Teigvolumen solange mit maximaler Geschwindigkeit zunimmt, wie der Teig einen Großteil des von der Hefe produzierten Kohlendioxids in der Teigmatrix einschließen kann. In der stationären Phase flacht das Teigwachstum ab, da der Teig kein weiteres Kohlendioxid mehr aufnehmen kann. Warum aber beobachten wir eine Lag-Phase zu Beginn der Fermentation, in der der Teig auch nur minimal an Volumen zunimmt?

Der Grund hierfür: Osmotischer Stress, der auf die Hefezellen wirkt. Osmotischer Druck wird von in Wasser gelösten Substanzen verursacht. In der Brotteigmatrix sind dies Salz und Zucker. Die Weizenstärke und Glutenproteine sind hingegen wasserunlöslich. Sie liegen dispergiert in der wässrigen Teigmatrix vor.

Osmotischer Druck bewirkt, dass Wasser bei einem Konzentrationsgefälle sich durch eine semipermeable Membran vom Ort der niedrigeren zum Ort der höheren Teilchenkonzentration bewegt, um das Konzentrationsgefälle auszugleichen. Die Zellmembran von Hefezellen ist eine semipermeable Membran, die nur selektiv durchlässig ist.

Prinzip der Osmose: Der Salzüberschuss im linken Teil bewirkt, dass Wasser durch die Membran nach links fließt, um den Konzentrationsunterschied auszugleichen. Bildquelle: Hans Hillewaert

Im Brotteig ist das Zellinnere der Hefe ein von der restlichen Teigmatrix abgetrennter Bereich. Wir können somit einen osmotischen Druck für das Zellinnere der Hefe und einen osmotischen Druck für die wässrige Teigmatrix, die die Hefe umgibt, berechnen. Die Berechnung des osmotischen Drucks erfolgt mithilfe des van-’t-Hoff’schen Gesetzes:

  • π  = Osmotischer Druck
  • c = Stoffmengenkonzentration der Lösung
  • i = Van-‘t-Hoff-Faktor: Anzahl der dissoziierenden Teilchen in der Lösung
  • R = Universelle Gaskonstante
  • T = Temperatur

Der osmotische Druck einer Lösung steigt an, wenn:

  • Die Konzentration (Teilchenanzahl) an osmotisch aktiven Substanzen erhöht wird.
  • Die Temperatur erhöht wird.
  • Die gelösten Substanzen in mehrere Teilchen dissoziieren. Zuckermoleküle dissoziieren nicht, wenn sie in Wasser aufgelöst werden. Zucker besitzt folglich den van-‘t-Hoff-Faktor 1. Kochsalz (Natriumchlorid) hingegen dissoziiert, wenn es in Wasser gelöst wird, in zwei Teilchen: Natrium- und Chloridionen. Folglich besitzt Kochsalz den van-‘t-Hoff-Faktor 2 und hat somit bei gleicher Stoffmengenkonzentration einen doppelt so hohen Einfluss auf den osmotischen Druck wie Zucker.

Der osmotische Druck muss separat für das Zellinnere der Hefezellen und die wässrige Teigmatrix berechnet werden, da sie durch eine semipermeable Zellmembran voneinander getrennt sind. Ist der osmotische Druck auf beiden Seiten der Membran ausgeglichen, so passiert nichts. Ist der osmotische Druck hingegen nicht ausgeglichen, so wandert Wasser vom Ort mit dem niedrigeren osmotischen Druck zum Ort mit dem höheren osmotischen Druck, um den osmotischen Druck auf beiden Seiten der Membran auszugleichen.

Im Brotteig weißt die die Hefezellen umgebende Teigmatrix den höheren osmotischen Druck auf, da wir dem Brotteig Salz und eventuell sogar Zucker zugeben. Die Hefezellen erfahren daher beim Mischen des Brotteigs einen osmotischen Schock. Den Hefezellen wird Wasser entzogen, um die umliegende Salz und/ oder Zuckerlösung zu verdünnen. Die Hefezellen schrumpfen und stellen ihren Stoffwechsel um. Um zu überleben, gleichen die Hefezellen den osmotischen Druck aus, indem sie selbst osmotisch aktive Substanzen in ihrem Zellinneren produzieren und anlagern. Diese osmotisch aktiven Substanzen sind Trehalose und Glycerin, auf die ich in einer Folgelektion über das Salz-Hefe-Verfahren noch im Detail eingehen werde.

Während die Hefe im Brotteig noch damit beschäftigt ist, Trehalose und Glycerin anzureichern, hat sie keine Kapazitäten mehr dafür, Kohlendioxid im Großmaßstab zu produzieren. Erst wenn der osmotische Schock überwunden wurde, fährt die Hefe die Produktion von Trehalose und Glycerin zurück und beginnt wieder damit, sich ihrer eigentlichen Hauptaufgabe im Brotteig zu widmen: der Produktion von Kohlendioxid. Die Stressreaktion der Hefe auf den ihr zugeführten osmotischen Schock beim Mischen des Brotteigs ist das, was wir als Lag-Phase bezeichnen. Während der Lag-Phase nimmt das Teigvolumen nur minimal zu, da die Hefe erstmal mit ihrem eigenen Überleben beschäftigt ist.

Wie produziert die Hefe Kohlenstoffdioxid?

Ist erst einmal der osmotische Schock überwunden, so geht es für die Hefe ans große Fressen. Lediglich Einfachzucker können die Zellwand der Hefe per Diffusion passieren. Den Haushaltszucker Saccharose kann die Hefe nicht direkt aufnehmen, da er ein Zweifachzucker, bestehend aus einem Molekül Glucose und einem Molekül Fructose ist. Die Hefe produziert daher ein Enzym, die Invertase, das sie dann an die Umgebung abgibt, um den Haushaltszucker aufzuspalten.

Langkettige Stärkemoleküle kann die Hefe ebenfalls nicht direkt verwerten. Beim Mahlvorgang beschädigte Stärkekörner müssen erst im Laufe der Teigfermentation von mehleigenen Enzymen in kurzkettige Zuckermoleküle aufgespalten werden, bevor die Hefe sie in ihr Zellinneres aufnehmen kann. Neben dem Einfachzucker Glucose, den die Hefe per Diffusion aufnehmen kann, entsteht beim enzymatischen Abbau von Stärke auch Malzzucker, die Maltose. Maltose ist ein Zweifachzucker, bestehend aus zwei Glucosemolekülen. Die Hefe besitzt extra für den Maltosetransport ins Zellinnere ein eigenes Transportsystem. In der Zelle wird die Maltose wiederum enzymatisch in Glucose aufgespalten und von der Hefe dann zur Energiegewinnung genutzt.

Die Bäckerhefe ist ein fakultativ anaerober Mikroorganismus. Das heißt, die Hefe kann Energie sowohl aus der Zellatmung in Anwesenheit von Sauerstoff als auch aus der alkoholischen Gärung in Abwesenheit von Sauerstoff gewinnen. Die Endprodukte der Zellatmung sind Kohlendioxid und Wasser, wohingegen die Endprodukte der Gärung Alkohol und Kohlendioxid sind.

Im Brotteig herrschen überwiegend anaerobe Bedingungen. Für die Hefe steht kein oder nur sehr wenig Sauerstoff zur Verfügung. Die alkoholische Gärung ist im Brotteig dominant. Dies gilt übrigens auch für die Bierherstellung, weshalb Bier auch als flüssiges Brot bezeichnet wird. Ein Großteil des Alkohols im Brotteig verdampft, wenn das Brot im Ofen gebacken wird. Im fertigen Brot verbleibt nur ein kleiner Restalkoholgehalt von unter 0,5 Volumenprozent.

Die Kohlendioxidproduktionsrate von Hefe ist maximal bei 32 °C. Der Teig geht besonders schnell auf. Bei Kühlschranktemperaturen hingegen fährt die Hefe ihren Stoffwechsel stark zurück und der Teig geht deutlich langsamer auf. Bei Temperaturen über 45 °C beginnen die Hefezellen abzusterben.

Neben Kohlendioxid produziert die Hefe im Laufe der Teigfermentation auch Aromastoffe. Diese Aromastoffe sind Nebenprodukte des Hefestoffwechsels, die dem Brot einen guten Geschmack geben. Für ein besonders aromatisches Brot empfiehlt es sich, den Brotteig bei Temperaturen unter 30 °C gehen zu lassen, damit er nicht so schnell aufgeht und genügend Zeit hat, möglichst viele Aromastoffe auszubilden. Neben der Hefe befinden sich auch noch andere Mikroorganismen, wie beispielsweise Milch- und Essigsäurebakterien im Teig, die ebenfalls Aromastoffe und Säuren produzieren, die dem Brot einen guten Geschmack geben.

Welche Arten der Hefe gibt es zu kaufen?

Bäckerhefe wird im Handel angeboten als:

  • Frischhefe mit einer Haltbarkeit von etwa 2 bis 3 Wochen.
  • Trockenhefe mit einer Haltbarkeit von bis zu einem Jahr.
  • Flüssighefe mit einer Haltbarkeit von bis zu einem Jahr.

Flüssighefe wird vor allem in der Lebensmittelindustrie verwendet, da sie leicht dosierbar ist und sich durch Rohre pumpen lässt. Üblich für den Heimgebrauch sind Frisch- und Trockenhefe. Ein handelsüblicher Frischhefewürfel wiegt 42,5 Gramm und entspricht etwa einem 7 Gramm Päckchen Trockenhefe.

Ob du mit Trocken- oder Frischhefe arbeitest, macht keinen Unterschied. Ich bevorzuge Frischhefe, da sie sich präzise mit einer Haushaltswaage abwiegen lässt. Wer Trockenhefe zuhause genau abwiegen möchte, der benötigt eine Feinwaage.

 

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