In der letzten Lektion haben wir gelernt, dass die Hefe im Brotteig einen osmotischen Schock erfährt, von dem sie sich erst erholen muss, bevor der Teig mit maximaler Geschwindigkeit aufgeht. Verantwortlich für diesen osmotischen Schock sind die in der wässrigen Brotmatrix gelösten Salz- und Zuckermoleküle. Dieses abstrakte Konzept möchte ich in diesem Rechenbeispiel einmal mit konkreten Zahlen verdeutlichen.
Ich ermutige dich dazu, die Rechenaufgabe selbstständig zu lösen, bevor du dir meinen Lösungsweg anschaust. Aber auch wenn du die Aufgabe nicht lösen kannst/ willst, dann schaue dir unbedingt den Lösungsweg an. Dieser verdeutlicht nochmal mit harten Zahlen ein in der Hefelektion aufgegriffenes Schlüsselkonzept, das es sich lohnt, verstanden zu haben.
Aufgabe:
Ein einfaches Rezept für einen Weizenbrotteig besteht aus folgenden Zutaten:
- 500 Gramm Weizenmehl
- 300 Gramm Wasser
- 10 Gramm Salz
- 30 Gramm Zucker
- 20 Gramm Frischhefe
Wir möchten berechnen, wie hoch der osmotische Druck im Brotteig nach dem Mischen ist.
Lösungsweg:
Wie wir bereits in der Lektion über Hefe gelernt haben, lässt sich der osmotische Druck ganz einfach mithilfe des van-’t-Hoff’schen Gesetzes berechnen:
- π = Osmotischer Druck
- c = Stoffmengenkonzentration der Lösung
- i = Van-‘t-Hoff-Faktor: Anzahl der dissoziierenden Teilchen in der Lösung
- R = Universelle Gaskonstante
- T = Temperatur
Zunächst müssen wir die Stoffmengenkonzentrationen von Salz und Zucker im Teig berechnen. Addieren wir das Gewicht aller Teigzutaten zusammen, so kommen wir auf ein Gesamtteiggewicht von 860 Gramm. Angenommen, der Brotteig besitzt eine Dichte von 1,1 Kilogramm pro Liter nach dem Mischen, so haben wir ein Gesamtteigvolumen von:
Die molare Masse von Kochsalz (Natriumchlorid) beträgt 58,44 Gramm pro Mol. Folglich haben wir im Teig eine Stoffmengenkonzentration von:
Die molare Masse von Haushaltszucker (Saccharose) beträgt 342,30 Gramm pro Mol. Folglich haben wir im Teig eine Stoffmengenkonzentration von:
Mithilfe der Stoffmengenkonzentration können wir nun den osmotischen Druck berechnen. Der van-‘t-Hoff-Faktor von Kochsalz beträgt 2, da Natriumchlorid in wässriger Lösung in zwei Teilchen dissoziiert: Natrium- und Chloridionen. Der van-‘t-Hoff-Faktor von Haushaltszucker beträgt 1, da er in wässriger Lösung nicht dissoziiert. Bei einer Teigtemperatur von 28 °C (301,15 Kelvin) nach dem Mischen erhalten wir für den osmotischen Druck folgende Werte:
Der osmotische Druck im Teig nach dem Mischen beträgt somit 1380 kPa. Dies sind umgerechnet 13,8 bar. Ein enormer Druck, den die Hefezellen ausgleichen müssen. Obwohl der Teig das dreifache Gewicht an Zucker wie an Salz enthält, verursacht das Salz einen etwa vierfach höheren osmotischen Druck als der Zucker.
Warum verursachen in diesem Beispiel 10 Gramm Salz einen vierfach höheren osmotischen Druck als 30 Gramm Zucker? Dies liegt darin begründet, dass für den osmotischen Druck ausschließlich die Teilchenzahl ausschlaggebend ist. Das Kochsalzmolekül (58,44 Gramm pro Mol) wiegt weniger als das Haushaltszuckermolekül (342,30 Gramm pro Mol). In 10 Gramm Kochsalz befinden sich somit mehr Moleküle als in 10 Gramm Haushaltszucker. Zudem dissoziiert das Kochsalzmolekül, wenn es in Lösung geht, in zwei Teile und verdoppelt so seine Teilchenzahl. Der Haushaltszucker hingegen dissoziiert nicht in Wasser. Die Teilchenzahl von in Wasser gelöstem Zucker ist identisch mit der Teilchenzahl von ungelösten Zuckerkristallen.